Das Bundesrecht in Österreich hat nun endlich die gesamte Rechtsvorschrift für die Notar-E-Identifikations-Verordnung (NEIV) konsolidiert, und in der Fassung vom 03.06.2022 publiziert. Weitere Grundlage ist § 69b Abs. 2 der Notariatsordnung, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 71/2018.
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§ 1. Gegenstand
(1) Mit dieser Verordnung werden für die Errichtung eines elektronischen Notariatsakts unter Nutzung einer elektronischen Kommunikationsmöglichkeit (§ 69b NO) Sicherungsmaßnahmen zum Ausgleich des durch die Verwendung eines elektronisch unterstützten Verfahrens zur Prüfung und Feststellung der Identität einer nicht physisch anwesenden Partei potenziell bestehenden erhöhten Risikos der Geldwäscherei (§ 165 StGB) oder der Terrorismusfinanzierung (§ 278d StGB) getroffen. Sie regelt ferner die Voraussetzungen, unter denen sich der Notar für die Ausführung dieses elektronisch unterstützten Identifikationsverfahrens eines Dienstleisters bedienen kann, und die bei einer solchen Identitätsfeststellung und -prüfung einzuhaltenden Anforderungen an die Datensicherheit, an die Fälschungssicherheit und an die Verlässlichkeit der Personen, die den Identifikationsvorgang konkret durchführen.
(2) Die vom Notar nach dieser Verordnung zu setzenden Sicherungsmaßnahmen gelten unbeschadet der sonstigen vom Notar nach der Notariatsordnung einzuhaltenden Sorgfaltspflichten zur Verhinderung der Geldwäscherei (§ 165 StGB) oder der Terrorismusfinanzierung (§ 278d StGB). Ebenso unberührt bleiben weitere Sicherungsmaßnahmen, die vom Notar mit dem Ziel einer weiteren Anhebung des Sicherheitsniveaus gesetzt werden.
(3) Die Bestimmungen dieser Verordnung gelten unbeschadet der auf das elektronische Identifikationsverfahren anzuwendenden datenschutzrechtlichen Anforderungen. Soweit personenbezogene Daten nach den Bestimmungen dieser Verordnung verarbeitet werden, geschieht dies aufgrund von § 69b Abs. 2 NO zum Zweck der Verhinderung oder Bekämpfung der Geldwäscherei (§ 165 StGB) oder der Terrorismusfinanzierung (§ 278d StGB) nach den Bestimmungen der Notariatsordnung.
§ 2. Organisatorische Sicherungsmaßnahmen
(1) Der Notar darf für das elektronisch unterstützte Identifikationsverfahren nur Mitarbeiter einsetzen, die für dessen Durchführung besonders geschult und zuverlässig sind. Im Rahmen der Schulung sind den Mitarbeitern jedenfalls ausreichende Kenntnisse über den rechtlichen Rahmen des elektronisch unterstützten Identifikationsverfahrens, die technischen Voraussetzungen sowie die praktische Sicherstellung der Identitätsprüfung zu vermitteln.
(2) Der Notar hat sicherzustellen, dass das elektronisch unterstützte Identifikationsverfahren in seinem Bereich in einem abgetrennten, mit einer Zugangskontrolle ausgestatteten Raum durchgeführt wird. Zur Sicherstellung der Datenintegrität ist organisatorisch und technisch dafür vorzukehren, dass die im Rahmen des elektronisch unterstützten Identifikationsverfahrens verwendeten Anwendungen sowie die übertragenen Daten vor unbefugtem Zugriff und missbräuchlicher Verwendung gesichert werden.
§ 3. Verfahrensbezogene Sicherungsmaßnahmen
(1) Der dem Zweck der elektronisch unterstützten Identitätsfeststellung und -prüfung dienende Teil des Gesprächs mit der Partei ist zumindest akustisch zur Gänze aufzuzeichnen; § 12 Abs. 4 DSG ist anzuwenden. Darüber hinaus sind Bildschirmkopien anzufertigen, die bei geeigneten Belichtungsverhältnissen Folgendes aus dem Vorgang des elektronisch unterstützten Identifikationsverfahrens abbilden müssen:
- Jedenfalls das Gesicht der Partei,
- die Präsentation der Vorderseite des amtlichen Lichtbildausweises (§ 36b Abs. 2 zweiter Satz NO) oder von dessen Datenseite und
- die Präsentation der Rückseite des amtlichen Lichtbildausweises oder von dessen Datenseite.
Unter einer Bildschirmkopie im Sinn dieser Verordnung ist dabei eine mittels elektronischer Datenverarbeitung gefertigte und gespeicherte Grafik zu verstehen, die den Bildschirminhalt als visuelle Komponente des elektronisch unterstützten Identifikationsverfahrens bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Erstellung in einer solchen Qualität wiedergibt, dass dem jeweiligen Überprüfungs- und Dokumentationszweck entsprochen wird und die Partei und die auf dem amtlichen Lichtbildausweis enthaltenen Daten vollständig und zweifelsfrei erkennbar sind.
(2) Die Partei hat während des elektronisch unterstützten Identifikationsverfahrens nach Aufforderung
- ihren Kopf unter Präsentation des Gesichts zu bewegen und getrennt davon
- die Seriennummer ihres amtlichen Lichtbildausweises mitzuteilen.
(3) Der Notar oder der Mitarbeiter, der das elektronisch unterstützte Identifikationsverfahren durchführt, hat sich von der Authentizität des amtlichen Lichtbildausweises wie folgt zu vergewissern:
- Visuelle Überprüfung des Vorhandenseins der optischen Sicherheitsmerkmale einschließlich bewegungsoptischer (holographischer) oder gleichwertiger Sicherheitsmerkmale, die nach Aufforderung zum horizontalen und vertikalen Kippen des amtlichen Lichtbildausweises deutlich erkennbar sein müssen;
- Überprüfung der korrekten alphanumerischen Ziffernorthographie der Seriennummer;
- Überprüfung der Unversehrtheit der Laminierung, die den amtlichen Lichtbildausweis umschließt, oder vergleichbarer Merkmale, die für die Unversehrtheit des Dokuments sprechen;
- Überprüfung zum Zwecke des Ausschlusses, dass es sich nur um ein nachträglich mit dem amtlichen Lichtbildausweis verbundenes Lichtbild handelt;
- Überprüfung der logischen Konsistenz
- a) der Merkmale der Partei oder der vertretungsbefugten natürlichen Person der Partei einerseits und der Personenbeschreibung sowie des Lichtbildes im amtlichen Lichtbildausweis andererseits, außerdem
- b) des Lichtbildes, des Ausstellungsdatums und des Geburtsdatums im amtlichen Lichtbildausweis zueinander, außerdem
- c) aller weiterer unter Umständen bereits vorhandener Daten der Partei einerseits und der entsprechenden weiteren Angaben auf dem amtlichen Lichtbildausweis andererseits.
(4) Die Partei hat während der laufenden Videoübertragung eine eigens für den Zweck des elektronisch unterstützten Identifikationsverfahrens gültige, zentral generierte und an sie per E-Mail oder SMS übermittelte Ziffernfolge unmittelbar einzugeben und an den Mitarbeiter elektronisch zurückzusenden.
§ 4. Zwingender Abbruch des elektronisch unterstützten Identifikationsverfahrens
(1) Der Vorgang der Online-Identifikation ist vorbehaltlich der Fälle gemäß Abs. 2 abzubrechen, wenn
- eine für die Anfertigung einer Bildschirmkopie geeignete visuelle Überprüfung der Partei oder des amtlichen Lichtbildausweises oder von beiden nicht möglich ist oder
- sonstige Unstimmigkeiten oder Unsicherheiten vorliegen.
(2) Bei Vorliegen eines Falles nach § 36b Abs. 1 Z 3 und 4 NO ist das elektronisch unterstütze Identifikationsverfahren zu Ende zu führen, es sein denn es besteht Grund zu der Annahme, dass die Partei dadurch Kenntnis von dem gegen sie bestehenden Verdacht erhalten würde. Jedenfalls ist eine unverzügliche Verdachtsmeldung an den Bundesminister für Inneres (Bundeskriminalamt, Geldwäschemeldestelle gemäß § 4 Abs. 2 Bundeskriminalamt-Gesetz) entsprechend § 36c Abs. 1 erster Satz NO zu erwägen, soweit nicht die Voraussetzungen nach § 36c Abs. 1 dritter Satz NO erfüllt sind; § 36c Abs. 2 NO ist anzuwenden.
§ 5. Ausführung des elektronisch unterstützten Identifikationsverfahrens durch Dienstleister
Der Notar kann sich für die Ausführung des elektronisch unterstützten Identifikationsverfahrens gemäß dieser Verordnung eines Dienstleisters (Auftragsverarbeiter gemäß Art. 4 Z 8 der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016 S. 1) bedienen, wenn er dafür Sorge trägt, dass der Dienstleister Sicherungsmaßnahmen ergreift, die sowohl hinsichtlich des Umfangs als auch der Qualität den Anforderungen nach dieser Verordnung entsprechen.
Die endgültige Verantwortung für die Erfüllung dieser Anforderungen verbleibt jedoch beim Notar, der auf den Dienstleister zurückgreift. Bei Abschluss, Durchführung und Kündigung der Vereinbarung mit einem Dienstleister ist mit der gebotenen Professionalität und Sorgfalt zu verfahren und namentlich eine klare Aufteilung der Rechte und Pflichten schriftlich zu vereinbaren.
§ 6. Inkrafttreten
(1) Diese Verordnung tritt mit 1. Jänner 2019 in Kraft.
(2) Die Änderung des Verordnungstitels und § 5a treten mit Ablauf des Tages der Kundmachung der Verordnung BGBl. II Nr. 185/2020 in Kraft. § 5a tritt mit Ablauf des 30. Juni 2020 außer Kraft.